Heutzutage wird von Seiten der Politik und der Kostenträger bei der Behandlung eines Patienten im Krankenhaus grundsätzlich eher darüber nachgedacht, wie man die vorgesehenen medizinischen Maßnahmen finanzieren kann. Erst danach wird die angestrebte medizinische und ärztliche Zielsetzung abgewägt! Es stellt sich also die Frage, ob ökonomische Zwänge das Arzt-Patienten-Verhältnis und das Behandlungsziel beeinträchtigen dürfen.
Natürlich muss ein umsichtiger Arzt bei jeder Diagnostik- und Therapieplanung auch die finanziellen Aspekte und die praktische Machbarkeit planen und bedenken – wie es von den Vertretern der Ärzteschaft in Vergangenheit und Gegenwart auch stets bedacht und diskutiert wurde. Dass derartige Gesichtspunkte jetzt jedoch nicht nur bei großen und aufwendigen sondern auch bei kleineren Behandlungsmaßnahmen im Mittelpunkt des Denkens stehen, beeinträchtigt nicht nur das Arzt-Patienten-Verhältnis sondern auch das Berufsbild des Arztes.
Menschliche Hinwendung und Unterstützung sollten primär jedem Patienten zugute kommen - unabhängig von allen finanziellen Gesichtspunkten oder der Vorherrschaft ausschließlich wirtschaftlicher/finanzieller Gesichtspunkte - und ohne Ansehen der Person!
Tatsächlich scheint die medizinische Versorgung großer Patientengruppen nur noch ein Rechenexempel darzustellen. Allmächtig ist ausschließlich das DRG-System (diagnosis related group), welches das Entgeld Diagnose- und nicht Patienten- bezogen berechnet. Wenn eine kompetente und komplette Diagnostik und Therapie angestrebt werden, erlebt zur Zeit jeder verantwortungsbewusste Mediziner täglich die signifikanten Schwächen des DRG-Systems. Wir befürchten, dass in Zukunft der sogenannte „Disease Manager“ die wirklichen Entscheidungen trifft, und weder ärztliche noch menschliche Gesichtspunkte therapierelevant sind.
Nachdrücklich plädieren wir dafür, dass primär ärztliche und fachspezifische Gesichtspunkte in der Krankenversorgung die Vorgehensweise bestimmen! Ökonomische Probleme, die selbstverständlich auch und immer diskutiert werden müssen, dürfen erst an zweiter Stelle stehen und müssen dann gemeinsam mit den Kostenträgern besprochen werden. Nur auf diese Weise kann die Ärzteschaft ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und in jedem Einzelfall das für den Patienten notwendige und erforderliche Optimum erreichen.
Der Vorstand des Kieler Ärztevereins